Kohlgraf: Betriebsseelsorge bildet wichtigen Kern kirchlichen Handelns

Traditioneller Vorabend zum Tag der Arbeit / 60 Jahre Betriebsseelsorge im Bistum

Mainz, 30. April 2024: Bischof Peter Kohlgraf würdigte die Betriebsseelsorge zum 60-jährigen Bestehen. (c) Bistum Mainz / Blum
Datum:
Di. 30. Apr. 2024
Von:
tob (MBN)

Mainz. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat die Betriebsseelsorge des Bistums Mainz anlässlich ihres 60-jährigen Bestehens gewürdigt. Beim Auftaktgottesdienst zum traditionellen Vorabend zum Tag der Arbeit am Dienstagabend, 30. April, im Mainzer Dom sagte er in seiner Predigt: „Die Betriebsseelsorge bildet einen wichtigen Kern kirchlichen Handelns, und sie zeigt, wie die Kirche insgesamt sein kann: ,solidarisch-politisch-weltoffenʼ. Ich denke mit Respekt an alle, die Seelsorge in den letzten 60 Jahren gestaltet haben, und ich danke allen, die dies heute tun. Möge Gott alle weiteren Wege segnen und uns ermutigen, in diesem Sinne an der Seite vieler Menschen zu stehen.“ 

Mainz, 30. April 2024: Der Bamberger Betriebsseelsorger Dr. Manfred Böhm hielt an seinem letzten Arbeitstag das Impulsreferat des Empfangs. (c) Bistum Mainz / Blum

Der traditionelle Vorabend zum Tag der Arbeit stand unter der Überschrift „solidarisch-politisch-weltoffen. Mit den Menschen in der Arbeitswelt verbunden“. Veranstalter des Abends waren das Referat Betriebsseelsorge des Bischöflichen Ordinariates, sowie die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und das Kolpingwerk im Bistum Mainz.

Wörtlich sagte Bischof Kohlgraf: „In dem Seelsorgetext der Bischöfe („In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche“ vom März 2022) taucht das Wort der ,Solidaritätʼ auf. Es gehört zum Prinzip der katholischen Soziallehre und zum Wesen der Betriebsseelsorge. Das lateinische Wort bedeutet ,fest zusammenfügenʼ. Seelsorge berührt damit nicht nur den Bereich der reinen ,Frömmigkeitʼ oder Innerlichkeit. Menschen in einer Gesellschaft und auch in Arbeitsbeziehungen sind verbunden und tragen Verantwortung füreinander. Die katholische Soziallehre hat mit diesem Prinzip einen guten Weg gefunden, um einerseits das Recht der Person auf gerechte Behandlung und andererseits auch an die Verantwortung jedes und jeder Einzelnen für das Gemeinwohl zu erinnern. Diese Verantwortung tragen selbstverständlich nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch die, die Arbeit anbieten. Ich darf auch sagen, dass ich als Bischof vielen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern begegne, die sich ihrer Verantwortung im christlichen Sinne bewusst sind. Und dennoch müssen unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger immer wieder auch in die Konfrontation, indem sie die Arbeitenden unterstützen.“ Kohlgraf erinnerte unter anderem an die Unterstützung von LKW-Fahrern auf dem Rastplatz Gräfenhausen durch die Betriebsseelsorge in der jüngeren Vergangenheit.

Mainz, 30. April 2024: Podium zum Tag der Arbeit (v.l.n.r.): Stefan Körzell, Pitt von Bebenburg, Katja Deusser und Lorena Rodenas-Martinez. (c) Bistum Mainz / Blum

Weiter sagte er: „Dass ein Mensch arbeiten kann, ist Ausdruck seiner Würde und ein Beitrag zum Gemeinwohl. Arbeitsbedingungen müssen schlussfolgernd so gestaltet sein, dass die Arbeit und auch die Entlohnung Ausdruck der Menschenwürde sind. Dafür setzt sich die katholische Soziallehre ein, und die Betriebsseelsorge ist vielleicht eine Art Einsatzgruppe, um diese Solidarität zu bezeugen und gegebenenfalls einzufordern. Dass sie damit manchmal in eine bestimmte politische Ecke gestellt wird, verbindet sie mit dem argentinischen Papst Franziskus, den manche sogar als Kommunisten beschimpfen. In der Betriebsseelsorge ist die Kirche und ihr Engagement politisch. Nicht selten ist davon die Rede, dass die Kirche sich aus der Politik heraushalten und sich um Seelsorge kümmern solle. Ich meine gut dargelegt zu haben, dass Seelsorge auch eine politische Dimension hat. Dabei stehen die Seelsorgerinnen und Seelsorger selbstverständlich auch einzelnen Menschen zur Seite, aber sie sehen darin keinen Gegensatz zum gesellschaftlichen Engagement. Wer die Kirche aus politischen Fragen heraushalten will, sollte sich der Tradition bewusst sein. Ich habe an die katholische Soziallehre erinnert. Aber das war nicht der Anfang. Natürlich ist die Bergpredigt ein politischer Text, wenn Jesus die Verfolgten und Ausgebeuteten, die Friedensstifter und Gerechten, die Armen und Trauernden seligpreist.“ Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von der AKK-Band aus der Pfarrgruppe Mainz-Kostheim und Kastel unter Leitung von Anja Kormarnicki. Die Kollekte des Gottesdienstes ist für die Arbeitsloseninitiative Gießen e.V. bestimmt.

Empfang und Podiumsdiskussion im Erbacher Hof

Mainz, 30. April 2024: Zum Schluss gab es für die Beteiligten des Abends Geschenke von den vier regionalen Betreibsseelsorgerinnen und -seelsorgern (v.l.n.r.): Michael Ohlemüller, Ingrid Reidt, Richard Kunkel und Eva Reuter. (c) Bistum Mainz / Blum

Beim anschließenden Empfang im Erbacher Hof hielt Dr. Manfred Böhm, Leiter der Betriebsseelsorge im Erzbistum Bamberg, das Impulsreferat. Er hob hervor, dass der Kirche ohne die Betriebsseelsorge der unmittelbare Zugang zu Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Erwerbslosen fehlen würde: „Die Betriebsseelsorge betritt die Arbeitswelt über das Fabriktor und ist erster Ansprechpartner für die Betriebsräte. Ohne Betriebsseelsorge wäre die Kirche in diesem Bereich blind.“ Böhm ging in seinem Referat auf die Entwicklung der Betriebsseelsorge aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Würzburger Synode ein. „Die lateinamerikanische Befreiungstheologie war prägend für das heutige Profil der Betriebsseelsorge“, betonte Böhm: „Interesse zeigen und Begegnung suchen. Das ist im Grunde die Grundlage der Betriebsseelsorge.“ Böhm bezeichnete die Betriebsseelsorge als „relativ moderne Form der Pastoral, die „eine aktuelle Antwort auf die Frage nach Relevanz von Kirche in Gesellschaft und ihrer Glaubwürdigkeit“ darstelle. Manfred Böhm hatte an diesem Abend seinen letzten Arbeitstag als Betriebsseelsorger vor dem Ruhestand.

Mainz, 30. April 2024: Bischof Peter Kohlgraf bei seiner Predigt zum Vorabend des Tages der Arbeit im Mainzer Dom. (c) Bistum Mainz / Blum

Beim anschließenden Podiumsgespräch dankte DGB-Bundesvorstand Stefan Körzell der Mainzer Betriebsseelsorge ausdrücklich für ihr Engagement beim LKW-Fahrer-Streik auf der Raststätte Gräfenhausen. Katja Deusser, Gewerkschaftssekretärin von ver.di für Frankfurt und die Region, würdigte, dass die Position der Betriebsseelsorge im Gespräch mit Unternehmern „immer noch einmal anders gehört wird“. Es sei ein wichtiges Element, „dass wir als Gewerkschaften mit der Betriebsseelsorge jemand an unserer Seite haben, an den wir Kollegen weitervermitteln können“. Lorena Rodenas-Martinez, Betriebsrätin bei Opel Automobile GmbH Rüsselsheim, hob das Solidarische Miteinander hervor: „Die Betriebsseelsorge ist die Instanz, die Kollegen oft die Menschlichkeit zurückgibt.“ Pitt von Bebenburg von der Frankfurter Rundschau hatte den Abend im Erbacher Hof moderiert. Die Begrüßung hatten übernommen: der Mainzer Kolping-Diözesanvorsitzende Thomas Isser sowie Ingrid Reidt und Richard Kunkel von der Betriebsseelsorge.

Betriebsseelsorge im Bistum Mainz

Seit 1964 ist die Betriebsseelsorge im Bistum Mainz im Schulterschluss mit den katholischen Sozialverbänden Katholische Arbeitnehmer–Bewegung (KAB) und Kolping als Kirche in der Arbeitswelt in unterschiedlichsten Betrieben unterwegs: aufsuchend, weltoffen und vernetzt in breiten Bündnissen. Die Aufmerksamkeit der Betriebsseelsorge gilt dabei den Menschen und wie es ihnen inmitten großer transformatorischer Umbrüche geht. Gefragt wird nach den Bedingungen der Arbeit und den Ursachen von Arbeitslosigkeit. Insbesondere in Krisenzeiten sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Betriebsseelsorge solidarisch und beziehen politisch Stellung, wo strukturelle Missstände bestehen.