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Wohin steuern unsere Gemeinden?:Interview Bardo Zöller

Gespräch mit Bardo Zöller, dem Koordinator des Pastoralraums Mainz-Nordwest
Bardo Zöller
Datum:
26. Apr. 2024
Von:
Stefan Götz
Ökurier: Der Pastoralraum mit dem derzeit noch so nüchternen Namen wie eine Autobahnabfahrt - Mainz-Nordwest - besteht seit 2022. Was sind die ersten Erfahrungen?

Wir sind derzeit intensiv dabei, einen neuen Namen für die zukünftige Pfarrei zu suchen, der richtungsweisend und identitätsstiftend sein kann. Es war sehr erfreulich, dass sich fast 80 Personen mit 70 Vorschlägen bei der Namenssuche beteiligt haben.

Ich habe als Koordinator in den letzten zwei Jahren viele engagierte Menschen aus den fünf Gemeinden kennenlernen können. In vielen Projektgruppen zu den Themen Gottesdienste, Katechese, Sozialpastoral, Öffentlichkeitsarbeit, Immobilien, Vermögen und Verwaltung oder im Jugendrat beteiligen sich Ehrenamtliche. Über diese Mitarbeit freue ich mich sehr, denn es zeigt, Menschen denken über ihren bisherigen Kirchturm hinaus mit und nehmen ihr Christsein ernst. Natürlich gibt es aber auch Verlustängste, weil manches sich verändern wird. Auf diese Ängste gehen wir ein und nehmen sie auch ernst.

 

Ökurier: Gibt es schon eine Entwicklung des Zusammenwachsens der einzelnen Gemeinden in dem Pastoralraum?

Die gemeinsame 14-Nothelfer-Wallfahrt im vergangenen Jahr war ein schönes Zeichen der Verbundenheit. Aus den jeweiligen Orten sind wir zusammengekommen, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern.
Aber auch die Vereinbarung einer gemeinsamen Gottesdienstordnung ist ein kleiner Erfolg. In jeder Gemeinde kann verlässlich eine Eucharistiefeier am Wochenende gefeiert werden. Immer mehr Gottesdienstbesucher nutzen auch die Gottesdienste der Schwestergemeinden.
Die Homepage für den Pastoralraum wird immer mehr ausgebaut. Der monatliche Newsletter für den Pastoralraum hat mittlerweile über 300 Abonnenten.
Der Jugendrat hat schon zwei Jugendgottesdienste selbst organisiert und trifft sich regelmäßig zum Austausch. Die Ministranten werden mit über 50 Personen gemeinsam im Sommer nach Rom zur Ministrantenwallfahrt fahren. Es gab ein Treffen aller Firmbewerber mit Bischof Kohlgraf.
Die gemeinsame Fastnachtssitzung der Gonsenheimer und Budenheimer Gemeinden war sehr erfolgreich. All das sind gute Zeichen des Zusammenwachsens.

 

Ökurier:  Wie kann man einer Tendenz zur Entwurzelung der einzelnen Gemeindemitglieder, des Verlusts an Heimatgefühl durch die größere Struktur, die verteilt stattfindenden Gottesdienste und die größere örtliche Entfernung zu einem Seelsorger entgegenwirken?

Der Prozess des Pastoralen Weges will niemandem sein Wurzeln nehmen. Was lebendig ist und vor Ort getragen wird, soll unbedingt auch beibehalten werden. Wir brauchen gute Begegnungsmöglichkeiten, um das Heimatgefühl jeweils vor Ort lebendig zu halten. Dabei sind wir für jedes ehrenamtliche Engagement dankbar.
Gleichzeitig brauchen wir aber auch den realistischen und ehrlichen Blick auf Dinge, die nicht mehr mit Leben gefüllt sind. Wo das der Fall ist, sollten wir auch zum Abschiednehmen ermutigen. Die Ehrenamtlichen vor Ort können das am besten einschätzen. Wir müssen aber auch Abschied nehmen von der Vorstellung, der Priester oder andere Hauptamtliche könnten noch bei jeder Gruppierung und bei jedem Treffen teilnehmen. Die Fastnachtssitzung, der Seniorennachmittag oder die Sternsingeraktion gewinnen nicht an Qualität, weil der Pfarrer oder die Gemeindereferentin dabei sind. Die Hauptamtlichen haben vor allem die Aufgabe, Menschen seelsorglich zu begleiten bei Trauerfällen, Sakramentenspendung und durch persönliche Begleitung. 

                                                                               

Ökurier: Letztlich handelt es sich bei dem pastoralen Weg ja um eine Reform, die aus der Not geboren wurde: Eklatanter Priestermangel, Rückgang der Kirchenmitglieder, Rückgang der Gottesdienstbesucher. Da liegt es natürlich nahe, die Ressourcen zu konzentrieren. Kann dies nicht aber eine Abwärtsspirale auslösen mit der Folge noch weiter sinkender Gottesdienstbesucher?

Der Pastorale Weg will mehr als ein Strukturprozess sein, der aus der Not geboren ist. Er will Ressourcen konzentrieren. Dabei hat Bischof Kohlgraf das Teilen ganz deutlich in den Mittelpunkt gestellt: Leben teilen, Ressourcen teilen, Glauben teilen, Verantwortung teilen. Sehen wir, was die Menschen zum Leben brauchen? Haben wir eine Antwort auf ihre Sehnsucht? Sind wir bereit, geschwisterlich zu teilen? Erfüllt die Freude am Evangelium unser Herz und wie können wir als Kirche zu mehr Glaubenserfahrung beitragen? Wie gelingt es allen Christen, in der Kirche Verantwortung zu übernehmen?
Wenn wir uns diesen Fragen stellen, werden wir keine Abwärtsspirale auslösen, sondern die Mitte unseres Glaubens neu finden und das wird Menschen neu ansprechen.
Ich möchte daher den Menschen in den Gemeinden zurufen: Bringen Sie sich ein! Schaffen Sie Begegnungsmöglichkeiten, wo Sie über Ihren Glauben ins Gespräch kommen. Seien Sie kreativ und suchen Sie gemeinsam nach neuen Formen, den Glauben lebendig zu halten. Überfordern Sie sich aber gleichzeitig nicht und seien Sie realistisch, was Ihre Ressourcen an Zeit und Kraft angeht.

 

Ökurier: Gibt es schon Ideen für gemeindeübergreifende Projekte, die ein Kennenlernen der Menschen über die eigene Gemeinde hinaus fördern können? Man könnte sich bspw. einen Projektchor vorstellen oder einen gemeinsamen Ausflug für Senioren des Pastoralraums.

Ein spiritueller Abend für alle Gemeindemitglieder hat bereits am 26. April in Petrus Canisius stattgefunden. Die 14-Nothelfer-Wallfahrt findet für alle Gemeinden am Sonntag, 9. Juni, statt. Am 28. Juni wird ein gemeinsames Ehrenamtsfest im Pastoralraum gefeiert, zu dem alle Ehrenamtlichen eingeladen sind. Der „Club 60+“ aus Petrus Canisius bietet eine Seniorenwallfahrt zum Rochusberg am 20. August an. Weitere Ideen werden wir für die gemeinsame Pfarreigründung am 1.1.2025 entwickeln.

 

Ökurier: Welche zukünftigen Entwicklungen zeichnen sich für Gonsenheim auf dem pastoralen Weg ab?

Ich glaube, dass die beiden katholischen Gonsenheimer Gemeinden auf Grund der räumlichen Nähe noch mehr Angebote gemeinsam nutzen und entwickeln werden. Das bringt sowohl eine größere Vielfalt als auch eine Entlastung mit sich. Gerade im Bereich der Familienarbeit werden die beiden Gemeinden näher zusammenrücken.

 
Ökurier: Lieber Herr Zöller, wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.

 

Das Interview führte Birgit Bartosch, St. Stephan.