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Libanon-Reise von Sonntag, 16.10.2022 bis Samstag 22.10.2022 Tag 3

21. Oktober 2022 Udo Bentz

„Du sitzt nie im Schatten der Zeder, die du pflanzt…“

Mein Kopf ist voller Eindrücke. Wie das Häufchen Puzzle-Teile, das man vor sich liegen hat und passende Teile daraus zusammensucht. Man weiß, irgendwie passen sie alle zusammen. Man weiß aber noch nicht wie. Wir fahren von Beirut weiter in den Norden. Die Autofahrt hilft beim Sortieren. Das ist notwendig, denn heute werden noch weitere Puzzle-Teile dazugelegt werden. Wir treffen auf eine Reisegruppe aus Berlin von „Religions for Peace“. Beim gemeinsamen Besuch der Großen Moschee von Tripoli tauschen wir unsere Erfahrungen aus. 

Große Moschee von Tripoli
Große Moschee von Tripoli

Deren Reiseschwerpunkt ist der interreligiöse Dialog. Gemeinsam treffen wir auf eine Initiative, die Professor Fahed vor sieben Jahren ins Leben gerufen hat: „Dialog for live“. Eine illustre Gruppe. Örtliche Imame. Sie üben zivile Berufe aus, sind sozusagen „Imam im Nebenberuf“, hoch engagiert für ihre Community. Eine muslimische Sozialarbeiterin, die mit Familien arbeitet. Zwei Griechisch-orthodoxe Priester. Einer davon ein „smarter Typ“ - Jugendseelsorger. Der andere der Typ Pfarrer, mit dem man durch dick und dünn gehen kann. Ein leutseliger maronitischer Priester. Er versorgt uns während unseres Treffens mit starkem libanesischem Kaffee. 

Gesprächsrunde

Es überrascht nicht, dass hier im Norden des Libanon auch ein Alevit mit am Tisch sitzt. Die Aleviten sind hier im Libanon eine kleine Minderheit - vor allem im Norden. Lachend erzählt er davon, wie er hier in der Gruppe zuerst einmal seine Beziehung zu den anderen muslimischen Vertretern klären musste und dabei viel gelernt hat. So ganz einfach scheint das ja auch religionswissenschaftlich nicht zu sein. Hier am Tisch sitzen aber keine Religionswissenschaftler. Die Gruppe versteht sich als „grass-root-Movement“, als Basisbewegung. Ihre Leitfrage: Was braucht es, dass wir im alltäglichen Leben in der Unterschiedlichkeit unsrer Religionen gut miteinander klar kommen? „Wir treffen uns seit sieben Jahren, um miteinander ein Stück Leben zu teilen. Die theologischen Diskussionen helfen uns wenig. Wir erzählen einander von unseren alltäglichen Herausforderungen, mit denen wir kämpfen. Wir diskutieren Lösungen und unterstützen uns gegenseitig. Dabei essen wir. Wir lachen viel. Manchmal sind die Ehepartner mit dabei. Was wir hier erfahren und gemeinsam erarbeiten, hilft uns in unsrer Arbeit zuhause in unsrer Community.“ So einer der Teilnehmer. Das macht mich hellhörig. Ich erzähle von meinem Heimatbistum Mainz. Gar nicht so einfach, der Runde zu erklären, was wir zuhause als „Pastoralen Weg“ verstehen. Als ich ihnen erkläre, dass als Überschrift über diesem Projekt das Wort „Leben teilen - Glauben teilen“ steht, wird es aufmerksam still. Wie verschieden die Situationen: hier und zuhause. Wie ähnlich die Überzeugung, was es braucht. Das Zusammenleben ist vielleicht doch der beste Lehrmeister, wenn wir uns gemeinsam als Lernende verstehen.

Gruppenbild

Was ist das Ziel? So fragt jemand aus der Berliner Reisegruppe. Was kann man damit bewirken? Die Antwort kommt prompt: „Looking through the mirror of each other we find ourselves through each other.“ Wir sind einander wie ein Spiegel - und erkennen uns selbst durch den anderen - das ist unsere Überzeugung. „Wir wollen mit unseren Erfahrungen, die wir machen, in die Öffentlichkeit gehen und Zeugnis geben. Religionen stiften Frieden und Freundschaft, wenn man wirklich miteinander das Leben teilt. Wir wollen in unserem kleinen Umfeld etwas ändern. Wir hoffen, es strahlt aus,“ so sagt ein anderer. Aber es ist kein einfacher Weg. Und er fügt hinzu: „Bei uns gibt es ein Sprichwort: Du sitzt nie im Schatten der Zeder, die du selbst gepflanzt hast. Hoffentlich aber deine Kinder und Enkel…“ Das sitzt. Es ist wie beim Puzzle. Manchmal findet man ein Teil, zu dem sich plötzlich viele andere einfügen…

Zedernbaum